Im Rahmen der #supporther Academy, powered by COSMOPOLITAN, erklärt Dagmar Wöhrl, wie sie sich eine Female Future in den Bereichen Politik & Wirtschaft vorstellt. Was kaum jemand weiß: Dagmar Wöhrl ist eine ehemalige Miss Germany. Doch bereits 1977 hat sie bewiesen, dass dieser Titel mehr als nur Schönheit bedeutet!
Die heute 66-jährige ist studierte Anwältin und war lange als Gesellschafterin einer Werbegesellschaft tätig, repräsentierte als Vertreterin die Nürnberger Aktiengesellschaft, saß fast 10 Jahre im Deutschen Bundestag, ist stolze Trägerin des Bundesverdienstkreuzes, und und und. Heute widmet die Allrounderin ihre Leidenschaft gerne Kultur- und Sozialthemen. Zudem engagiert sie sich in der Höhle der Löwen für die Förderung junger StartUps. Im Folgenden verrät Dagmar der #supporther Academy, powered by COSMOPOLITAN wie sie sich eine Female Future in den Bereichen Politik & Wirtschaft vorstellt.
Wo ist die Lösung für mehr future female Vibes in der Politik?
Immer wieder lese ich in Artikeln, dass das Interesse an Politik bei vielen Frauen geringer sei als bei Männern. Wenn ich jedoch die Ergebnisse von Kommunalwahlen oder Bundestagswahlen auswerte, stelle ich immer wieder fest, dass die Wahlbeteiligung von Männern und Frauen fast ausgeglichen stark/schwach ist. Das Interesse an der Politik scheint demnach fast geschlechtsneutral. Daher überrascht die Information, dass trotz der Tatsache, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel seit Jahren die Forbes-Liste der mächtigsten Politikerinnen anführt, Frauen schwach in den Parteien selber vertreten sind.
Im Bundestag ist der Frauenanteil seit der Bundestagswahl 2017 wieder gesunken, von 36 auf knapp über 30 Prozent. Ich kann aus eigener Erfahrung bestätigen, dass es 1994, zu beginn meiner politischen Karriere, schwierig war und ich viel Überzeugungskraft leisten musste, um für den Wirtschaftsausschuss ernannt zu werden. Zu dieser Zeit herrschten Vorurteile, dass man als Frau in die Familienpolitik oder Gesundheitspolitik gehen sollte. Ich, als Rechtsanwältin und damals schon Löwenmutter eines Familienunternehmens, wollte als Politikerin unbedingt meine wirtschaftlichen Erfahrungen einbringen. Man kann also behaupten, dass das die erste Höhle der Löwen war, die ich betreten habe. Doch wie so oft im Leben – Kämpfen lohnt sich.
Bekanntlich bin ich niemals dem gesellschaftlichen Stigma der Frau gefolgt, sondern stets meiner Überzeugung. Die besondere Herausforderung für mich und andere Mütter die eine politischen Laufbahn anstreben war und sind die Strukturen des politischen Alltags. Neben dem Haushalt, den Kindern und dem Rest der Familie muss für das Ehrenamt im Stadtrat oder Kreistag Zeit gefunden werden. Sitzungen beginnen meist am frühen Abend und ziehen sich meist über mehrere Stunden hin. Kommen noch Ausschüsse sowie Versammlungen des Ortsvereins der eigenen Partei hinzu, sind schnell mehrere Abende pro Woche für das Ehrenamt verplant. Hier wird ein großes Maß an Organisation und Kompromissbereitschaft von der ganzen Familie gefordert. Meine Erfahrungen in der Politik sind leider kein Einzelfall, sondern meist die Regel.
Der Tagesspiegel schrieb im letzten Jahr:
„Die Europäische Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft (EAF) befragte vor einigen Jahren mehr als 1000 Kommunalpolitikerinnen. Auf die Frage, was ihnen nicht gefalle, zeigten sich 57 Prozent unzufrieden mit der politischen Kultur. Sie berichteten von „Grabenkämpfen“, von „Profilierungssucht“ und „Vetternwirtschaft“ und kritisierten, dass die politische Arbeit oft zu wenig an der Sache orientiert sei und das sie sich in der Kommunalpolitik benachteiligt fühlen. Beispielsweise würden ihnen automatisch Themen wie Familie und Schule zugewiesen, während die Männer im Verkehrs- oder Bauausschuss sitzen. Viele dieser Frauen haben den Eindruck, sie müssten besser sein als ihre männlichen Amtskollegen, um das Gleiche zu erreichen. Auch ihr Äußeres, ihr persönlicher Lebenswandel und ihr Auftreten würden viel strenger beurteilt werden.”
Strengere Urteile fällen Frauen gelegentlich auch über sich selbst. „Selbstvertrauen ist das beste legale Doping“ ist meine Antwort darauf.
Wir müssen viel mehr Vertrauen in uns und unsere Fähigkeiten setzen. Frauen müssen sich da an den Männern orientieren, welche sicherlich wesentlich weniger an sich zweifeln und eher andere hinterfragen als sich selbst. So stehen sie sich oft weniger im Weg und erreichen dadurch schneller ihre Ziele. Dies habe ich nicht nur in der Politik erlebt, sondern auch in der Wirtschaft, besonders bei Gründerinnen von Startups.
Als Unternehmerin denke ich lösungsorientiert. Wo ist die Lösung für mehr future female Vibes in der Politik?
Die Kampagnen der Parteien versprechen immer wieder sie wollen „weiblicher“ werden. Jede der Parteien möchte also eigentlich ähnlich wie bei einer Hormonbehandlung – „Einmal Östrogen hochdosiert, aber bitte to-go“. Inhaltlich sind das die aktuellen Lippenbekenntnisse der vergangenen Jahre. Veränderung jetzt, aber der Weg ist weit und das Feld noch sehr nebelig. Mentoringprogramme sollen dem Thema nun die nötigen Flügel verleihen. Ein „Flughafen Berlin“-Vorhaben. Irgendwann wird es flugbereit sein, nur eben nicht in dem geplanten Zeit-/Kostenverhältnis. Man hat oft das Gefühl, die Parteien haben den Ernst der Lage noch nicht erkannt.
Kluge Nachwuchsförderung ist dringend notwendig genau wie die gezielte Ansprache der Frauen. Auch sollte erfahrene Politikerinnen mit gewissen Vorbildfunktionen jüngere unter ihre Fittiche nehmen. Viele meiner früheren Kolleginnen und auch mehrere Frauen, die erst vor Kurzem in die Politik gegangen sind, haben mir berichtet, dass es ein Anstoss von aussen war sich zu engagieren.
Auch bei mir kam der Anstoss durch einen späteren Parteikollegen. Ohne die Unterstützung meiner Familie, die an mich geglaubt und mir den Rücken freigehalten hat hätte ich meine politische Karriere nicht verfolgen können. Ich selbst war zu diesem frühen Zeitpunkt noch nicht davon überzeugt. Dennoch habe ich mit der Unterstützung meiner Familie das Vertrauen gefunden und an mich geglaubt. Darüberhinaus wollte ich unbedingt etwas bewegen. So richtig “mitmischen“, Entscheidungen sinnvoll beeinflussen und statt einfach zu kritisieren anpacken!
Um die “Future is Female“ Politik zu fördern, müssten gleichzeitig die von Männern über Jahrzehnte geprägten Strukturen verändert werden. Hierzu zähle ich andere Sitzungszeiten, Angebote für Kinderbetreuung und auch die Gespräche aus den “Hinterzimmern“ verschwinden.
2. Wir brauchen mehr weibliche Grünerinnen!
Leider werden nur vier Prozent der Startups in Deutschland allein von Frauen gegründet – heißt: ohne männlichen Mitgründer. Bei zehn Prozent der Firmen sitzt zumindest eine Frau mit im Gründungsteam. Der Rest der Startups, also 86 Prozent, werden von reinen Männerteams gegründet. Meiner Meinung nach ist der Grund der niedrigen Gründerinnenquote fehlender Mut und fehlendes Netzwerk. Es gibt zwar inzwischen immer mehr Frauennetzwerke, aber Männernetzwerke sind immer noch deutlich stärker. Sie werden auch besser von ihnen genutzt.
Einige Gründer berichten mir, sie schicken ihre Pitchdecks vorher zehn, zwölf erfolgreichen Gründern aus ihrem Netzwerk und überprüften Ihre Leistung mit dem Feedback.
Ich rate Frauen: keine Scheu haben, immer wieder diejenigen anzusprechen, von denen man Hilfe möchte – beispielsweise auf Konferenzen oder über moderne Netzwerke wie Linkedin. Auch der #supporther Academy, powered by COSMOPOLITAN ist es eine Herzensangelegenheit, eine Anlaufstelle bei dem Thema Female Future in Politik und Wirtschaft zu sein.
3. Für eine nachhaltige Zukunft sind Investorinnen gefragt.
Ich bin überzeugt, dass Investorinnen bessere und nachhaltigere Anlageentscheidungen treffen als Männer. Es gibt Indizien dafür. Einer Auswertung des Peterson Institute for International Economics von knapp 22.000 Firmen zufolge führt der Anstieg von Frauen in Führungspositionen zu einem messbaren Anstieg der Nettoerträge des Unternehmens. Dennoch sind Frauen in der Welt der großen Investitionen noch immer eine Randgruppe. Gründerinnen erhielten zudem von großen Investoren im Durchschnitt 25 Prozent weniger Kapital als ihre männlichen Konkurrenten (Unternehmensberatung BCG). Das ist auch unternehmerisch betrachtet katastrophal und wird sich nur ändern, wenn deutlich mehr Frauen in Führungsrollen arbeiten und über die Kapitalvergabe mitentscheiden.
Daher ermutige ich Frauen, die in der Position sind als Investorin zu fungieren – traut Euch und macht diesen wichtigen Schritt für eine nachhaltige Zukunft.
#supporther Academy, powered by COSMOPOLITAN
15. September 2020
Nina Beierl