Unternehmerin, Investorin und TV-Jurorin Dagmar Wöhrl: „Ich vermisse in Deutschland die positive Betrachtung des Scheiterns“ – Onpulson Redaktion, 21. Juli 2021

Im Gespräch mit Dagmar Wöhrl, Investorin und geschäftsführende Gesellschafterin der DGWoehrl Consulting GmbH. Die Firma beteiligt sich an Unternehmen, vor allem Start-ups, hilft und berät diese. Bekannt ist Dagmar Wöhrl auch als Investorin in der VOX-Sendung „Die Höhle der Löwen“ und als ehemalige Parlamentarische Staatssekretärin. Sie verrät uns Ihre Top 3-Stolpersteine für Gründer.

Wie ist das Geschäftsmodell Ihres Unternehmens?

Wir beteiligen uns nicht nur an Unternehmen, sondern helfen und beraten diese auch, vor allem Start-ups. Dabei spielt es keine Rolle, in welcher Phase das Unternehmen gerade steckt. Wir entwerfen Strategien, unterstützen beim Vertrieb und bei der PR. Ziel ist es aus guten Ideen ein nachhaltiges tragfähiges Geschäftsmodell zu machen, dass sich erfolgreich am Markt etabliert. Unsere Intuition basiert auf Grund langen und unterschiedlichen Tätigkeiten und der daraus resultierenden Erfahrung.

Wie differenzieren Sie sich von Ihren Wettbewerbern?

Wir sind ein traditionsreiches Familienunternehmen, das seinen Ursprung bereits vor 100 Jahren hat. Mittlerweile umfasst unser Unternehmen Firmen in den verschiedensten Branchen – ob Hotel und Gastronomie, Bekleidung oder Drogerieartikel, Lebensmittel und Getränke bis hin zu IT.

Was war Ihre Motivation Unternehmer zu werden?

Mein Wunsch, selbstbestimmt und -ständig zu arbeiten, manifestierte sich bei mir schon sehr früh. Bereits während meines Studiums gründete ich mein erstes Unternehmen.

Welche unternehmerischen Ziele haben Sie für die nächsten 3 Jahre?

Ganz ehrlich, meine unternehmerischen Ziele sind nicht mehr vordergründig. Ich habe wirklich vieles im Leben erreicht und manche sagen, es würde durchaus für zwei Leben reichen. In drei Jahren möchte ich mich vorrangig um meine sozialen Projekte kümmern und sie erfolgreich voran treiben. Dies ist sehr lebenserfüllend. Auch wenn es mir schwerfällt, aber so langsam sollte ich mich hier um eine erfolgreiche Nachfolge kümmern. Mir ist es wichtig, dass ich das geordnet bekomme und weiß, dass alles in meinem Sinne weitergeführt wird.

Wie wirkt sich die Corona-Krise auf Ihr Unternehmen aus und wie wollen Sie diese meistern?

Die Auswirkungen sind sehr unterschiedlich. Wir haben Unternehmen, die während der Corona-Krise sich erfolgversprechend etablieren konnten. Vor allem die, die bereits vor Corona einen starken Fokus auf den Online-Handel gelegt haben. Die traditionellen „Familienunternehmen“ Hotel, Gastronomie, Luftfahrt und der Handel haben aber massive Verluste eingefahren. Daran ändern auch die staatlichen Hilfen wenig, denn es wird lange dauern, bis Normalität einkehrt. Man leidet natürlich mit den Verantwortlichen und den Mitarbeitern in diesen Firmen. Bleibt zu hoffen, dass es uns gemeinsam gelingt, wieder auf einen erfolgreichen Kurs zu kommen.

Mit welchen weiteren Herausforderungen hat Ihre Branche in den nächsten Jahren zu kämpfen?

Ich glaube, dass manche Branchen eine Neuorientierung brauchen und das ist auch gut so. Allerdings bin ich überzeugt davon, dass nicht nur IT und Internet die Zukunft gehört. Menschen brauchen Nähe, Austausch und Inspiration. Das findet man nicht in einem Bildschirm. Gerade in den letzten Monaten, in der wir Menschen in kleinen Gruppen isoliert waren, hat sich gezeigt, wie wichtig die zwischenmenschliche Interaktion ist und wie sehr wir uns nach Gesellschaft sehnen. Hier gilt es, die optimale Mischung zu finden.

Was war Ihr größter unternehmerischer Erfolg?

Dass ich in Situationen (davon gab es einige) meistens eine Lösung gefunden habe. Der erfolgreiche Abschluss meines Jura-Studiums war der Grundstein für mein chronologisches Handeln, mein akribisches Analysieren und damit auch für den Sprung in die Selbständigkeit. Mittlerweile können wir auf viele vielversprechende Investitionen zurückschauen. Besonders im Bereich der Start-ups sind uns schon einige gewinnbringende Exits gelungen, andere sind am Markt etabliert. Es ist schön, wenn ich beim Einkauf Produkte unserer Gründer sehe und feststelle, dass der Kunde diese annimmt.

Was war Ihr größter unternehmerischer Misserfolg?

Da gibt es sicher einige. Auch ich habe das ein oder andere Mal bei meinen Investitionen danebengelegen. Besonders ärgere ich mich über ein Parkhaus in Chemnitz, das ich nicht zu Laufen gebracht habe. Das gehört für mich aber dazu. Misserfolge helfen mir, mich weiterzuentwickeln und als Unternehmerin zu wachsen. Ich vermisse in Deutschland die positive Betrachtung des Scheiterns. Hier ist es oftmals schwer, nach einem Misserfolg wieder aufzusatteln und neu durchzustarten. Entscheidend ist doch, dass Fehler nicht zweimal gemacht werden, sondern dass man aus ihnen lernt.

Warum sollten Fach- und Führungskräfte sich bei Ihrem Unternehmen bewerben?

Wir sind ein Traditionsunternehmen, welches zukunftsorientiert agiert. Wir bauen nachhaltige Unternehmen auf, die sich als Marke am Markt etablieren. Wir begleiten Start-ups von der Gründung bis zur Expansion ins Ausland und bieten dadurch ein interessantes Spektrum an Betätigungsfeldern. Die Hotelgruppe DORMERO hat mit Abstand den größten Personalbedarf, aber auch im Handel bei WÖHRL oder Ludwig BECK stehen die Chancen gut. Allerdings müssen sich Interessenten direkt dort bewerben.

Was ist Ihr Rezept zur Mitarbeitermotivation?

Vertrauen. Ohne Vertrauen auf allen Ebenen funktioniert ein Unternehmen nicht. Bei uns herrschen keine Hierarchien und wir fördern das selbständige Agieren. Persönlichkeitsentfaltungen sind gewünscht und wir scheuen auch keine kritischen Auseinandersetzungen. Mitarbeiter profitieren von den unterschiedlichsten Betätigungsfeldern und partizipieren auch am Erfolg. Ich persönlich verlange von meinen Mitarbeitern viel ab, biete aber auch interessante Einblicke jenseits des Schreibtisches. So begleiten mich Mitarbeiter bei lukrativen Abendevents oder ins Ausland. Dadurch erlangen sie auch internationale Expertisen, die bei der persönlichen Entwicklung mehr als hilfreich sind.

Welchen Tipp möchten Sie anderen Gründern gerne weitergeben?

Wie viel Platz habe ich? Es gibt einige Stolpersteine, die sich in den Weg von Gründern legen und es gilt, diese möglichst zu umschiffen.

Vielleicht meine TOP 3:
Bau ein diverses Team auf. Nichts ist schlimmer, als drei BWL’er an seiner Seite zu haben, die alle den gleichen Blick auf ein Problem werfen. Es zeigt sich immer wieder, dass vor allem gemischte Teams – das heißt solche, die sowohl Frauen als auch Männer im Gründerteam haben – erfolgreicher sind. Darauf sollte von Anfang an geachtet werden.
Kenne Deine Zahlen. Ein Gründer muss wissen, wie seine BWA aussieht, welche Zahlungseingänge und -Ausgänge zu verzeichnen sind. Er muss vor allem in der Gründungs- und Seed-Phase akribisch die finanziellen Rahmenbedingungen im Kopf haben, sonst fängt er schnell an zu schwimmen.
Kenne Dein Produkt und vor allem mögliche Mitbewerber auf dem Markt. Wir haben schon einige Pitche erlebt, in denen die Gründer nicht wussten, ob es überhaupt Mitbewerber in ihrer Branche gab. So kann ich nicht erfolgreich agieren. Kundenbefragungen garantieren, dass das Produkt den Anforderungen der Zielgruppe entspricht und sich so gegen die Konkurrenz behaupten kann. Betrachte das Unternehmen nicht aus Deiner, sondern aus der Sicht des Kunden. Er bezahlt nämlich alles!

Sie treffen den Bundeswirtschaftsminister. Was würden Sie sich für den Wirtschaftsstandort Deutschland bei ihm wünschen?

Dass die Gründung und der Ausbau von Unternehmen weniger durch die Bürokratie behindert, sondern endlich gefördert wird. Viele Einzelkämpfer schreckt der Wald an Vorschriften, Einsendungen, Bestätigungen, einfach der unfassbar aufwendige Papierkram ab.

Begrüßen würde ich, wenn der Bundeswirtschaftsminister auch mal mit der Bildungsministerin spricht und endlich dafür sorgt, dass das Unternehmertum Teil der schulischen Bildung wird. Hier müssen wir einfach umdenken und bereits junge Menschen für die Selbstständigkeit begeistern. Dann sind wir auch für die Zukunft gut aufgestellt und müssen uns Know-how nicht aus dem Ausland einkaufen. Unternehmen stehen im weltweitem Wettbewerb und jede Auflage, jede gesetzliche Regelung muss in diesem Zusammenhang wohl überlegt werden. Es nützt nichts, wenn wir uns auf die Schultern klopfen, weil wir so toll, weil wir so sozial sind und dabei ins Hintertreffen geraten. Wohltaten müssen erst verdient und dann verteilt werden, nicht umgekehrt.

Bei welcher Person möchten Sie sich für Ihren unternehmerischen Erfolg besonders bedanken?

Der Dank gilt meinem Mann. Ohne ihn wäre die Verwirklichung meiner Träume, gepaart mit einer Familie, nicht möglich gewesen. Er war stets mein bester Ratgeber, schärfster Kritiker und größter Unterstützer. In einer Zeit, wo es noch nicht alltäglich war, hat er Aufgaben im Haushalt neben seinen beruflichen Aktivitäten übernommen, sich um unsere Kinder gekümmert, damit ich mich beruflich weiterentwickeln konnte. Aber auch meinen Sohn Marcus möchte ich nicht unerwähnt lassen. Er hat als junger Mensch mitunter einen anderen Blickwinkel auf die Entwicklungen der Neuzeit. Seine Ansichten und der Austausch darüber helfen mir, auch in sich ständig ändernden Branchen immer up do date zu bleiben.

Mit welcher Persönlichkeit würden Sie gerne einmal zum Dinner gehen und warum?

Die Wunschliste habe ich weitgehend abgearbeitet (abgegessen). In meinen Jahren als Bundespolitikerin habe ich das Privileg genossen, mit sehr vielen Persönlichkeiten in Kontakt zu treten. Ich kann verraten, dass es nicht immer ein Genuss ist, mit namhaften Charakteren zu speisen, aber das ist ein anderes Thema. Am liebsten bin ich daher mit meinem Mann, meinem Sohn und Freunden zusammen.

Unternehmerin, Investorin und TV-Jurorin Dagmar Wöhrl:
„Ich vermisse in Deutschland die positive Betrachtung des Scheiterns“

Onpulson Redaktion
21. Juli 2021
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