Wir brauchen „Ein Herz für Kinder“!

Dagmar Wöhrl - Emanuel Wöhrl Stiftung - EIn Herz für Kinder2020 ist ein Jahr, welches uns allen enorme Einschränkungen und Entbehrungen abverlangt. Viele von uns bangen um ihre eigene oder die Gesundheit geliebter Menschen, unzählige haben Einkommenseinbußen oder fürchten den Verlust ihres Jobs. Über allem schwebt das Gefühl der Ungewissheit.

Somit entwickelt sich COVID 19 zu mehr als einer reinenGesundheitskrise. Es ist eine Sozial-, Wirtschafts-, und Bildungskrise. So sehr wir darunter zu leiden haben, können wir uns kaum ausmalen, was diese Krise für die Menschen in Kriegs- und Krisengebieten hat. Dort trifft es vor allem und besonders die Kinder.

 

 

Neben den gesundheitlichen Gefahren hat die Pandemie vor allem in sogenannten Dritte-Welt-Ländern bereits jetzt gravierende Auswirkungen, vor allem auf die Ernährungssituation von Millionen von Kindern, die aus armen Verhältnissen stammen . Ernteausfälle, der Wegfall von Lieferketten und ein massiver Spendenrückgang führen dazu, dass mittlerweile fast 430 Millionen Kinder in extremer Armut leben. Ein Zuwachs allein von 66 Millionen Kindern in den letzten Monaten, die an Mangel Ernährung und Auszehrung leiden. Wir müssen damit rechnen, dass sich die Sterberate von Kindern in afrikanischen Ländern südlich der Sahara, um mindestens 10.000 im Monat erhöht. Die UN spricht von zwei Millionen Kindern, die allein durch die Auswirkungen der Pandemie, zusätzlich sterben werden. Auch die Zahl von Totgeburten wird in den kommenden zwölf Monaten um 200.000 zunehmen. Was für unfassbar hohe Zahlen!

Ein großes Problem ist, dass viele Regierungen in Entwicklungsländern und Schwellenländern keine lebensnotwendige Grundversorgung mehr gewährleistenkönnen. Der Zugang zu wichtigsten sanitären Einrichtungen ist nahezu unmöglich. Es fehlt nicht nur an hygienischen Mitteln wie Seife, fließendem Wasser und Desinfektionslösungen, sondern auch an jeglichen medizinischen Hilfsmitteln. Kommt es hier zu einem Corona-Ausbruch, sind die Aussichten auf Genesung minimal.

Wir können uns nicht ausmalen, unter welch katastrophalen Bedingungen Millionen Kinder in Kriegs- und Krisengebieten oder aber auf der Flucht leben. Sie teilen sich nicht nur sanitäre Anlagen mit Hunderten anderer Menschen, auch befinden Sie sich an Orten, an denen Abstand halten nahezu unmöglich ist. Sie haben keinerlei Chancen sich zu schützen und diesem Zustand zu entfliehen.

Dagmar Wöhrl - Emanuel Wöhrl Stiftung - EIn Herz für KinderDie Konzentration auf den Kampf gegen COVID-19 birgt die Gefahr, dass wir im Kampf gegen andere Krankheiten an Boden verlieren. Routinemäßige Impfdienste sind unterbrochen, mit verheerenden Auswirkungen. Überlebenswichtige Impfungen wie z.B. gegen Kinderlähmung und Masern, werden in mindestens 68 Ländern rund 80 Millionen Kinder unter einem Jahr nicht mehr erreichen. In vielen dieser Gebiete gibt es einfach keine logistischen Möglichkeiten die Medikamente an den richtigen Ort zu transportieren.

Durch die aktuellen Reisebeschränkungen ist es den Hilfsorganisationen aber auch kaum möglich, in solchen Regionen die nötige aktive Hilfe zu leisten. Wenn man bedenkt, dass allein die Masernimpfung von 2000-2018 mehr als 23,8 Millionen Todesfälle verhindert hat und ohne die Impfung gegen Polio 18 Millionen Kinder gestorben wären, möchte man sich nicht ausmalen, welche Spätfolgen die derzeitige Situation in diesem Bereich nach sich zieht.

Und während wir in Deutschland alles dafür tun, die Schulen offen zu halten, sind in Entwicklungsländern derzeit 572 Millionen Mädchen und Jungen von landesweiten Schulschließungen betroffen – das sind 33 % aller Schülerinnen und Schüler weltweit. Den Kindern droht nicht nur der Anschluss an die Bildung, da es fast keinen Zugang zu digitalen Lernmöglichkeiten gibt, sie verlieren auch die für sie oft einzige Mahlzeit am Tag, die Schulspeisung.

Dagmar Wöhrl - Emanuel Wöhrl Stiftung - EIn Herz für KinderLangfristig werden diese Kinder auch nach der Krise nicht mehr die Schule besuchen dürfen. Erfahrungen aus früheren Krisen, wie z.B. während des Ebola Ausbruchs in West Afrika, zeigen, dass es in Folge von Schulschließungen zu einem Anstieg der Kinderarbeit kommt. Familien können es sich nicht leisten, die Kinder zur Schule zu schicken. Zu hoch sind die Schulden, die während Ausgangssperren und Geschäftsschließungen angehäuft wurden. Hier heißt es für die Kleinsten mit zu arbeiten und das Überleben der Familie sichern.

Besonders dramatisch ist die Situation für Mädchen. Die Zahl von Zwangsheiraten und Kinderehen stieg immens. Arme Familien verheiraten ihre Töchter früh aus materieller Not, um sie versorgt zu wissen und weniger hungrige Bäuche füllen zu müssen. Oft kommt es auch zu sexuellem Missbrauch und daraus resultierenden Teenager-Schwangerschaften. Eine Rückkehr zum Bildungsweg ist dann ausgeschlossen. Diesem Teufelskreis können vor allem junge Mädchen nicht entfliehen.

Die Corona-Pandemie und ihre Folgen werden uns noch vor viele Herausforderungen stellen. Wir dürfen hier nicht nur regional, sondern müssen global denken. Oft fehlt es aktuell an der nötigen Weitsicht und wir beschränken uns auf die uns unmittelbar betreffenden Einschränkungen. Das ist fatal und es kostet unzählige Kinderleben.

Wir dürfen es nicht zulassen, dass Bilder von verhungerten, missbrauchten und gestorbenen Kindern – egal ob wegen Hunger oder mangels Impfungen – Normalität werden. Hier heißt es, wachrütteln, sensibilisieren und aktiv werden. Denn die Welt von morgen gestalten die Kinder von heute. Ihnen muss unsere ganze Aufmerksamkeit gelten. Wir brauchen „Ein Herz für Kinder“!