Am 4. September startet bei Vox die fünfte Staffel der „Höhle der Löwen“. Dagmar Wöhrl gehört wieder zu den Investoren der Vox-Show. Die 64-jährige Geschäftsfrau saß bis 2017 für die CSU im Bundestag und war Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium. Seit 1984 ist die einstige Miss Germany mit dem Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl verheiratet; in der letzten Staffel investierte sie als Vertreterin des Familienunternehmens zum ersten Mal in der Vox-Show, unter anderem in die Po-Dusche „Happy Po“.
Frau Wöhrl, ich glaube, wir sind Nachbarn in Berlin. Könnten wir uns schon einmal bei Penny begegnet sein?
Das könnte sein. Ab und zugehe ich auch mal zu Penny. (Lacht.) Ich bin ja meistens alleine in Berlin, da passt das schon. Da kennen Sie doch bestimmt auch diese Frau, die immer vor dem Laden sitzt…
… und zudringlich um Geld bettelt. Geben Sie was?
Empfinden Sie das auch so? Bei ihr habe ich nicht das Gefühl, dass sie wirklich notleidend ist. Wenn jemand etwas leistet – und sei es nur Zeitung austragen oder aber auch Musik macht, gebe ich auch gerne eine Kleinigkeit. Aber wenn jemand nur dasitzt und in aufdringlicher Weise einen Becher hinhält, widerstrebt es mir, etwas zu geben.
Werden Sie nach Ihrer ersten Staffel „Die Höhle der Löwen“ im Supermarkt öfter erkannt als in der Zeit beim Bundestag?
Eigentlich nicht. Ich bin eine begeisterte Zugfahrerin und fahre ein-, zweimal die Woche zwischen Nürnberg und Berlin hin und her. Da kommt es schon einmal vor, dass mir im Zugabteil eine neue Geschäftsidee vorgestellt wird oder besonders junge Menschen ein Selfie mit mir wollen. Das passierte in der Politik doch seltener.
Wie alle „Löwen“ haben Sie ein Vermögen, bei dem Sie aufs Arbeiten auch ganz verzichten könnten. Trotzdem haben Sie einen vollen Terminkalender. Wonach wählen Sie aus, was Sie tun?
Meine Entscheidung, nach 23 Jahren im Deutschen Bundestag nicht wieder zu kandidieren, ist mir nicht leicht gefallen. Politik war für mich immer ein wichtiges Thema, aber jetzt wollte ich mehr Zeit für meine sozialen Aktivitäten haben – wie mein Engagement bei Unicef, wo ich im Vorstand bin, oder bei „Aktion Deutschland hilft“, im Tierschutz oder in der eigenen Stiftung. Aber da wusste ich noch nicht, dass „Die Höhle der Löwen“ kommt.
Eben, das passt nicht rein.
Es war auch nicht geplant. Es passt aber auf eine andere Weise. Mit dem Thema Existenzgründungen und Förderprogrammen habe ich mich ja schon intensiv als Staatssekretärin beschäftigt.
Gibt es auch eine strategische Überlegung dahinter, die politische Öffentlichkeit gegen die einer TV-Show einzutauschen? Vielleicht, um Aufmerksamkeit auf Ihre sozialen Projekte zu lenken?
Überhaupt nicht. Aber schön wäre es. Das Fernsehen war mir ja nicht fremd, wenn ich auch eher in Talkshows gewesen bin. Der Wechsel zur „Die Höhle der Löwen“ war dann doch nicht ganz einfach. Zwar investiert unser Familienunternehmen schon sehr lange in Start-ups, aber die Entscheidung fällt man nicht innerhalb von eineinhalb Stunden wie in der Sendung. Meine Familie muss sich darauf verlassen, dass ich die richtigen Entscheidungen treffe. Bei der Aufzeichnung sind sie zwar dabei, aber können natürlich nicht eingreifen. Woran ich mich auch erst gewöhnen musste, war, dass ja noch weitere Löwen sich für ein Produkt interessieren, und so kann es auch zum Wettbewerb unter den Investoren kommen.
Neu ist auch das Entscheiden vor laufender Kamera. Wie fühlt sich das an?
Man ist schon angespannt und ist voll auf die Gründer und die vorgestellten Produkte fixiert. Meistens denkt man dann nicht an die laufenden Kameras. Für mich ist es dann auch immer spannend, wie der Pitch zusammengeschnitten wird.
Ganz so hoch ist das Risiko am Ende vielleicht nicht. Nach der Show wird nachverhandelt und viele im Fernsehen erfolgreiche Pitches führen dann doch zu keinem Abschluss.
Das kann passieren. Manchmal kommt es vor, dass wir bei Überprüfung feststellen, dass nicht alle Angaben der Gründer der Wahrheit entsprechen. Ich hatte Glück und fast alle Deals sind bei mir zum Abschluss gekommen.
Bremsen Sie sich innerlich, wenn Sie ein Produkt für Nonsens halten?
Ich versuche immer, authentisch zu bleiben. Wenn mich ein Produkt nicht überzeugt, weil es nicht schmeckt oder nicht so funktioniert, wie es soll, oder wenn es dafür aus meiner Sicht keinen Markt gibt, äußere ich mich dem Gründer gegenüber auch dementsprechend deutlich. Ein Gründer, der sich in „Die Höhle der Löwen“ wagt, muss mit dieser öffentlichen Kritik rechnen. Wir hatten in der letzten Staffel Gründer, die sich im Anschluss beschwert hatten, dass wir ihr Produkt so schlecht gemacht hätten, dass es jetzt nicht mehr zu verkaufen wäre. Das tut einem ja leid, aber so ist nun mal das Spiel. Mittlerweile nutzen auch einige Gründer die Show nur für ihre Werbezwecke, ohne ehrliches Interesse an einem Investment. Ich finde das sehr bedauerlich, da sie so anderen Gründern den Platz wegnehmen.
Aufmerksamkeit zu Geld zu machen, ist heute ein eigener Geschäftszweig. Eine große Gruppe von TV-Kandidaten drängt nur ins Fernsehen, um später als Influencer Geld zu machen.
Ich glaube, diese Influencer-Zeit geht irgendwann zu Ende.
Das sehen aber nicht alle Löwen so. Georg Kofler baut ein ganzes Medien-Imperium darauf auf.
Momentan ist es auch eine florierende Branche. Aber die Menschen merken immer mehr, dass dies nicht echt ist. Man sieht doch, dass Influencer Produkte nur in die Hand nehmen, weil sie Geld dafür bekommen.
Ich hatte mich gefragt, ob Ihr eigener Karrierestart – von den Miss-Wahlen bis zu Franz Marischkas Sexklamotte – Sie nicht zu einer Vorläuferin macht.
Wenn Sie das so sehen! Ich war jung und mit den Miss-Wahlen habe ich mir damals mein Jura-Studium finanziert; und das war gut angelegtes Geld. Aber natürlich gibt es auch manches aus der Jugend, das ich nicht noch mal in meinem Leben wiederholen würde. Rauchen zum Beispiel.
Dann wechseln wir das Thema: Investieren Sie bei der „Höhle der Löwen“ nur in Produkte oder nutzen Sie sie auch im Alltag?
Ich nutze sie natürlich auch. „Happy Po“ auf Reisen zum Beispiel.
Die Po-Dusche? Das ist ja ein noch sensibleres Thema …
Aber ja! Ein tolles Produkt! Bei dem Pitch habe ich an meine Reisen in den asiatischen und arabischen Raum gedacht: Dort ist es selbstverständlich, zur Reinigung Wasser zu benutzen. Erschlossen haben wir aber einen Markt, an den ich gar nicht gedacht hatte: Proktologen und Hebammen rennen uns die Türen ein. Wir verkaufen ein innovatives Produkt mit einem Mini-Duschkopf. Es erleichtert den Alltag nach Entbindungen genauso wie den von Menschen mit Hämorrhoiden, allein das sind über zehn Millionen in Deutschland. „Happy Po“ ist aber nur ein Beispiel. Wenn ich Sport mache, trage ich nur noch Morotai-Bekleidung, in die ich auch in der „Höhle der Löwen“ investiert habe. Und bei mir zuhause stehen überall Graceflowerboxen; das sind Infinity-Blumen, die bis zu fünf Jahre blühen, weil Ihnen in einem aufwendigen Verfahren das Wasser entzogen wurde.
Ist das eine Unternehmensmaxime von Ihnen: nur in Dinge investieren, die Sie auch nutzen?
Nein, dann wäre ich sicher der falsche Löwe. Aber ich bin sehr emotional und investiere in Dinge, die ein anderer Investor abgelehnt hätte. Oft liegt es auch an tollen Gründern. Das Produkt kann man ja noch ändern, den Menschen aber nicht. Ein Erfolg ist jedoch nicht immer garantiert. Manchmal wird ein Produkt trotz Nachbesserungen nicht von den Kunden angenommen. Dann muss man es schweren Herzens vom Markt nehmen. Wenn aber der Gründer fleißig war, ehrlich und intensiv gearbeitet hat, dann erhält er in unserem Familienunternehmen auch eine zweite Chance. In der Regel werden wir dann auch nicht enttäuscht und unser Vertrauen in den Menschen zahlt sich aus.