Und was kam nach dem Deal bei „Höhle der Löwen“? Dagmar Wöhrl stellt GRACE Flowerbox ihr Netzwerk zur Verfügung – Iconist / welt.de, 02.10.2018

Für Blumen in Hutschachteln bekamen Nina Wegert und Kirishan Selvarajah 150.000 Euro in der „Höhle der Löwen“. Wie geht es den Unternehmern heute?

Manchmal versteht man die Löwen als Zuschauer einfach nicht. In einen Frühchen-Simulator, an dem Kinderärzte überlebenswichtiges Training absolvieren können, investieren sie nicht – dafür in Keksteig zum Löffeln. Kirishan Selvarajah hätte genauso entschieden, mit einem Frühchen-Simulator „verdient man kein Geld“. Er hat 2017 selbst in der Gründer-Show „Die Höhle der Löwen“ um eine Finanzierung geworben, zusammen mit seiner Partnerin Nina Wegert. Das Produkt der beiden, Rosen in Hutschachteln, fällt in die Kategorie Keksteig zum Löffeln: Darauf gewartet hat keiner, kaufen wollen es viele.

Zumindest gilt das für die Zeit während und nach der Ausstrahlung, Start-up-Gründer haben ein Wort dafür, den „Höhle der Löwen“-Effekt. Ein Auftritt in der Show ist wie ein zehn Minuten langer Dauerwerbesport zur besten Sendezeit, bei dem keiner gelangweilt wegzappt: eigentlich unbezahlbar. Aber was machen Unternehmer daraus – was haben Selvarajah und Wegert daraus gemacht?

Fragt man Selvarajah und Wegert, wo ihre Grace Flowerbox heute steht, ein Jahr nach „Höhle der Löwen“, ein Jahr nach dem 150.000-Euro-Investment von Dagmar Wöhrl, dann antwortet Selvarajah. Schon beim Pitch vor den Löwen interagierte er mehr, er ist der Offensive, der Mund, Wegert eher das Auge, zuständig für die Verpackungen, die Blumenarrangements, die schönen Dinge eben. Das sei jetzt kein Eigenlob, sagt Selvarajah jedenfalls, aber: „Wir haben uns schon vor ‚Höhle der Löwen‘ jeden Monat organisch verdoppelt. Die Sendung war dann noch mal ein Riesenschub. Aber unser Marketing-Team funktionierte da schon perfekt, wir konnten den Hype gut nutzen und stabil auf dem ‚Höhle der Löwen‘-Niveau bleiben, bis heute.“

Als ihr Pitch gesendet wurde, kannte der eine oder andere die Blumenboxen bereits, die meisten wohl von hübsch arrangierten Bildern bei Instagram. Selvarajah und Wegert verschickten ihr Produkt schon 2016, kurz nach der Gründung ihres Unternehmens, an „Influencer“. Gratis, vielleicht posten die es ja. Und Caro Daur, Farina Opoku („Novalanalove“) oder Marina Ilic („Marina the Moss“) posteten.

„Influencer“-Marketing machen Selvarajah und Wegert immer noch, inzwischen allerdings viel selektiver. Produkte verschenken, die dann oft plump abfotografiert und bei Instagram gezeigt werden – das sei doch irgendwie „vorbei“, meint Selvarajah. Zumal die Grace-Box schon lange kein reines Internetprodukt und -phänomen mehr ist, sie hat den Sprung in den Einzelhandel geschafft, ist in München und Hamburg in Kaufhäusern erhältlich. Bald wird sie auch im Pariser Le Bon Marché stehen, den Deal hat Dagmar Wöhrl vorbereitet.

Das, sagt Wegert, sei besonders toll: Wöhrls Netzwerk. „Was hätten wir ohne sie machen sollen, eine Email schreiben? So wurden wir eingeflogen, hatten gleich einen Termin bei der Geschäftsführung.“
Noch immer, sagen beide Gründer, arbeiten sie eng mit der ganzen Familie Wöhrl zusammen. Das überrascht vielleicht, in der Sendung wird das Danach kaum thematisiert. Man erfährt nicht, welche Investments wirklich zustande kommen und wie sich die Löwen in die Unternehmen einbringen, da muss man schon regelmäßig das Internet nach Neuigkeiten durchforsten. Oder ein Jahr lang auf die kurzen Einspieler in der neuen Staffel warten.

Nina Wegert und Kirishan Selvarajah mit Dagmar Wöhrl bei DHDL - Die Höhle der Löwen. Sie investiert 150.000 Euro für 20 Prozent der Anteile an "Grace Flowerbox".
Nina Wegert und Kirishan Selvarajah mit Dagmar Wöhrl bei DHDL – Die Höhle der Löwen. Sie investiert 150.000 Euro für 20 Prozent der Anteile an „Grace Flowerbox“.

Auch Grace Flowerbox wird heute um 20.15 Uhr noch einmal kurz zu sehen sein, als Beispiel dafür, wie es dank „Höhle der Löwen“ laufen kann. Extrem gut nämlich. Selvarajah und Wegert haben mittlerweile 50 Mitarbeiter, zu Stoßzeiten (Valentingstag und Weihnachten) mussten sie schon auf 100 aufstocken. Sie haben ihr Unternehmen in Frankreich und Großbritannien als Marke etabliert, versenden weltweit. Und sie haben sich neue Produkte ausgedacht, Dinge, die das Zuhause „wohnlicher“ machen, wie Wegert es ausdrückt. Wohl auch, weil ihre Blumenboxen längst kopiert werden. Sucht man danach im Internet, führt schon der zweite Link zum Shop von Fleurs de Paris, die sich selbst als „das Original aus Berlin“ bezeichnen.

Blumen in Hutschachteln kann man sich nicht patentieren lassen, deshalb wird das Sortiment nun erweitert: um Schreibwaren wie Tacker und Klemmbrett, natürlich wieder in Instagram-tauglicher Optik, und einen Raumduft aus Rosenwasser – ein Abfallprodukt, das bei der Konservierung ihrer Rosen entsteht. All das geht pünktlich zur Sendung online, Selvarajah und Wegert haben sich genau überlegt, wie sie ihren zweiten Auftritt zur Prime Time am besten nutzen können. Nur für die Dauer der Show zeigen sie in ihrem Onlineshop Bilder von sich selbst, damit der Zuschauer ein Gesicht zur Blumenbox hat.

„Wir haben beim vergangenen Mal die gute Erfahrung gemacht, dass unsere Server fast zusammengebrochen wären. Wir hatten Zehntausende Bestellungen“, erinnert sich Selvarajah. Das darf sich gerne wiederholen, müsste es aber eigentlich gar nicht. Die Umsätze sind gut, in diesem Jahr könnten sie richtig gut werden. „Vor „Höhle der Löwen“ hatten wir einen Jahresumsatz von 250.000 Euro, danach haben wir mit einem höheren einstelligen Millionenbetrag abgeschlossen. Für 2018 peilen wir die zweistellige Millionenmarke an“, sagt Selvarajah.

Ihre Geschichte ist eine Erfolgsgeschichte – aber auch ein gutes Beispiel dafür, was man als Problem mit der „Höhle der Löwen“ beschreiben kann: Investiert wird ausschließlich in Gründer, die sowieso schon gut dastehen oder es zumindest aus eigener Kraft geschafft hätten. Wie Selvarajah und Wegert, die beide sagen: „Wir haben die Sendung nicht gebraucht, aber der Auftritt, Frau Wöhrl und das Investement haben uns zwei bis drei Jahre nach vorne katapultiert.“ Das hätte man dem Frühchen-Simulator auch gegönnt.

www.graceflowerbox.de

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ICONIST/ welt.de
02.10.2018
Anna Eube